Ordensgemeinschaften in Deutschland

Die Gaben der Anderen

"Subsidiarität und Autonomie würden Türen hin zu einem christlichen Freiheitsverständnis öffnen, das mit der Moderne leichter in Dialog treten kann."

Iuvenescit Ecclesia gilt ausdrücklich nicht den alten Orden, sondern „neueren Gruppierungen“. Bei der Präsentation im vatikanischen Pressesaal streiften die Einführungen allerdings doch häufiger das Ordensleben und Kardinal Ouellet von der Bischofskongregation widmete dem sogenannten Geweihten Leben dann sogar einen langen Abschnitt seiner Ansprache.

Das hat einen tieferen Grund: Die Bischofskongregation arbeitet derzeit zusammen mit der Religiosenkongregation an einem wichtigen Dokument, in dem das durchaus spannende Verhältnis von Orden und Bischöfen näher bestimmt werden soll. Papst Franziskus hat dies angeregt, um damit die bisherigen Richtlinien zu ersetzen, die 1978 unter dem Titel „Mutuae Relationes“ erschienen sind. Auf Wunsch des Papstes sollen diesem Dokument zwei Schlüsselkonzept zugrunde liegen: der gemeinsame Sendungsauftrag von Orden und Bischöfen, und die „Gleichwesentlichkeit“. Gleichwesentlichkeit heißt auf Italienisch „co-essenzialità“ und ist ein bislang kaum bekannter Begriff, den Johannes Paul II verwendet hat. Er hat damit auszudrücken versucht, dass der hierarchische Aspekt der Kirche und ihre charismatische Dimension nicht unter- oder übergeordnet sind, sondern gleich-wesentlich für die Sendung der Kirche sind. Da dieser Begriff bislang nicht wirklich entfaltet worden ist, bietet er einige Möglichkeiten der kreativen Ausgestaltung. Das nunmehr vorliegende Dokument rammt nun einige Pflöcke in den Boden, mit denen dieser Begriff fixiert werden kann.

Allerdings ist dies tatsächlich nur eine Tangente von Iuvenescit Ecclesia; im Kern geht es um geistliche Bewegungen und Gemeinschaften. Hierfür wird das Wort Charismen verwendet, so dass bei einigen der Eindruck entstand, es handle sich hier um eine Auseinandersetzung mit der charismatischen Erneuerung. Die ist aber, wenn überhaupt, dann nur am Rande gemeint. Iuvenescit Ecclesia prägt einen ganz eigenen Sprachgebrauch: mit dem Ausdruck „hierarchische Gaben“ werden kirchliche Struktur und die Ausübung von Leitungsautorität durch Bischöfe bezeichnet, und „charismatische Gaben“ beschreibt den Impuls zur Gründung von Bewegungen, neuen Kommunitäten und gelegentlich auch Ordensgemeinschaften.

In einer theologischen Darlegung die sich atemberaubend zwischen der Inkarnation, der Aussendung des Heiligen Geistes und unseren menschlichen Niederungen bewegt, werden diese beiden Aspekte kirchlichen Lebens einander zugeordnet, unter deutlicher Hervorstellung des hierarchischen Amtes.

Dafür gibt es gute Gründe: in den letzten Jahrzehnte hat es bei manchen dieser neuen Gruppierungen und auch bei neueren Ordensgemeinschaften eine Art katholisches Gurutum mit üblen Exzessen und Übergriffen gegeben. Die kirchlichen Autoritäten haben hier oft erst sehr spät eingegriffen. Das vorliegende Dokument liefert Kriterien zur Beurteilung solcher neuer Aufbrüche.

Das Dokument wird durchzogen von der großen Sorge, dass Amt und Charisma in Gegensatz zueinander geraten könnten. Immer wieder wird vom Gegensatz, vor Dialektik oder Spannung gewarnt, in die die beiden mitnichten verfallen dürfen. Die aus Sicht eines Ordensmannes durchaus hilfreichen Kategorien Subsidiarität und Autonomie spielen dagegen keine Rolle. Letzte taucht nur im Zerrbild der „falsch verstandenen Autonomie“ auf, aber die recht verstandene, die übrigens ein Kernbegriff des Ordensrechts ist, findet keine Erwähnung.

Das ist schade, denn Subsidiarität und Autonomie würden Türen hin zu einem christlichen Freiheitsverständnis öffnen, das mit der Moderne leichter in Dialog treten kann. Vielleicht gelingt der Wurf, wenn in zwei oder drei Jahren das neue Mutuae Relationes erscheint.