Ordensgemeinschaften in Deutschland

Barmherzigkeit ist eine Bewegung des Empfangens und Zur-Welt-bringens

P. Helmut Schlegl OFM wurde vom Papst zum Missonar der Barmherzigkeit ernannt. Im Interview erläutert er, was das für ihn bedeutet.

P. Helmut Schlegl OFM ist Leiter von Heilig Kreuz - Zentrum für christliche Meditation und Spiritualität in Frankfurt/M-Bornheim. Der Franziskanerpater wurde vom Papst zum Missonar der Barmherzigkeit ernannt. Im Interview erläutert er, was das für ihn bedeutet.

P. Helmut, sie gehören zu den Missionaren der Barmherzigkeit in Deutschland. Haben sie sich für diese Aufgabe beworben? Warum wurden Sie ausgewählt? Wann und wie haben Sie erfahren, dass Sie gewählt wurden?  

Nein ich habe mich nicht beworben. Unser Provinzial hat mir geschrieben, dass ich von der Ordensleitung in Rom als Missionar der Barmherzigkeit vorgeschlagen wurde. Die Gründe kenne ich nicht, vermutlich liegen Sie darin, dass ich seit Jahrzehnten in der Geistliche Begleitung und Exerzitienbegleitung tätig bin. Ich habe dann mit Datum vom 18. Dezember die Ernennung vom Päpstlichen Rat für die Neuevangelisierung zugesandt bekommen.  

Was bedeutet das Thema Barmherzigkeit Ihnen persönlich?  

Für mich ist das Thema Barmherzigkeit durch das Heilige Jahr noch einmal stärker ins Bewusstsein getreten. Das hebräische Wort für Barmherzigkeit heißt  „rahamim“ und bezeichnet den Mutterschoß. Barmherzigkeit ist also eine Bewegung des Empfangens und des Zur-Welt-bringens. Das macht mir deutlich, dass ich Barmherzigkeit zuerst erfahre – von Gott und von Menschen. Und dass ich es in der Konsequenz dieser Erfahrung schenken kann und darf. Auf diesem Hintergrund sehe ich, dass die Haltung der Barmherzigkeit in der biblischen Auslegung vor allem bei Frauen abgelesen und wertgeschätzt wird. Ich bedauere darum, dass nur Männer und Priester zu Missionaren der Barmherzigkeit ernannt worden sind und dass sich ihr Dienst vornehmlich auf das Bußsakrament konzentriert. Im konkreten Leben erfahren und schenken viele Menschen – Frauen und Männer – in vielfältiger Weise Barmherzigkeit. Ich hoffe, dass dieser Akzent im Heiligen Jahr nicht verloren geht.

Immer wieder werden die Missionare der Barmherzigkeit im Zusammenhang mit dem Bußsakrament genannt. Hat dieses Sakrament in Deutschland überhaupt noch eine Zukunft?  

In der offiziellen Ernennung steht, dass neben der Spendung des Bußsakramentes auch etwa Predigten, Volksmissionen, spezielle Gottesdienste und ähnliches zu den Aufgaben der Missionare der Barmherzigkeit gehören. Richtig ist, dass die Beichte in Deutschland nur noch marginal in Anspruch genommen wird. Das hat auch seine Ursache in einer fragwürdigen Bußpastoral in der Vergangenheit. Dennoch hat die ehrliche Lebensreflexion vor Gott für nicht wenige Menschen eine tragende Bedeutung. Und dabei eben auch die Erfahrung der sakramentalen Vergebung.  

Mission bedeutet „Sendung“. Wie werden Sie Ihre Sendung als Missionar der Barmherzigkeit aktiv gestalten?  

Es gibt eine Reihe von Anfragen, in Gruppen und Kreisen, Predigten und Vorträgen das Thema Barmherzigkeit zu entfalten. Darüber hinaus will ich für begleitende Gespräche und die Spendung des Bußsakraments zur Verfügung stehen. Ich kann mir auch vorstellen, im Prozess der Kirchenentwicklung unseres Bistums mit anderen zusammen an einem Projekt „Erneuerung der Bußpraxis“ mitzuarbeiten.   

Das Heilige Jahr will die Kirche zur Umkehr rufen. Wo könnte ihrem Verständnis nach diese Umkehr am ehesten gelingen?  

Umkehr ist sicher ein innerer Prozess, der aus der Erfahrung kommt, dass Gott mit uns barmherzig ist. Dieser Prozess braucht aber auch vernehmbare Zeichen nach außen. Barmherzigkeit in der Kirche bedeutet für mich zunächst, auf Macht und Statussymbole zu verzichten, jeder Form von Klerikalismus zu wehren, umzusetzen, Fehlverhalten aufzudecken und zuzugeben. So wird eine Kirche sichtbar, die zuerst einmal selbst der Barmherzigkeit bedarf. – In der Konsequenz wird sie vor allem denen Barmherzigkeit gewähren, die kirchlich und gesellschaftlich am Rand stehen sind – den Flüchtlingen ebenso wie den Geschiedenen und Wiederverheirateten. – Es bedarf mutiger Schritte der Integration und Versöhnung.  

Helmut Schlegel OFM