Ordensgemeinschaften in Deutschland

Barmherzigkeit als Motiv im Ordensleben

Was das Heilige Jahr für die Orden bedeutet

Am heutigen 8. Dezember, dem Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria, eröffnet Papst Franziskus feierlich das Heilige Jahr 2016. Es steht unter dem Motto „Barmherzig wie der Vater“ und widmet sich in seinen Impulsen dem Thema Barmherzigkeit.

Die Barmherzigkeit ist über viele Jahrhunderte hinweg Leitmotiv von Ordensberufungen gewesen. Bereits die Benediktsregel aus dem fünften Jahrhundert nach Christus kennt die so genannten geistigen und leiblichen Werke der Barmherzigkeit. Aus der Perspektive des Einsatzes für die Armen empfiehlt sie der Hl. Benedikt seinen Mönchen als „Werkzeuge der geistlichen Kunst“ (RB 4). Vor allem die leiblichen Werke der Barmherzigkeit (Hungrige speisen, Durstige tränken, Fremde beherbergen, Nackte kleiden, Kranke pflegen, Gefangene besuchen, Tote bestatten) führten zur Gründung einer Vielzahl von Ordensgemeinschaften und -kongregationen, die sich der Sorge um die Armen und Kranken verpflichtet haben.

Auch heute gibt es in Deutschland noch eine große Zahl von Orden, die sich ausdrücklich auch dem Namen nach der Barmherzigkeit verpflichtet wissen.

Die Barmherzigen Brüder vom heiligen Johannes von Gott (Ordenskürzel: OH) wurden 1540 in Granada vom heiligen Johannes von Gott gegründet, der als Pionier der modernen Krankenpflege gilt. Außer den klassischen Gelübden der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams leisten die Brüder auch das Versprechen der Hospitalität. Sie geloben, sich armen und kranken Menschen zuzuwenden.

Die Barmherzigen Brüder von Maria Hilf (Ordenskürzel: FMMA) gründete 1850 der Schornsteinfeger Peter Friedhofen. Auch ihm ging es vor allem darum, sich Kranken und Schwachen zuzuwenden. Dabei war ihm die Verehrung der Gottesmutter Maria immer neuer Ansporn und ist noch heute ein zentraler Punkt der Spiritualität des Ordens. Die Barmherzigen Brüder von Maria Hilf betreiben allein in Deutschland soziale Einrichtungen mit insgesamt über 9.000 Beschäftigten.

Der Ursprung der Kongregation der Barmherzigen Brüder von Montabaur ist eng mit der Lebensgeschichte Ihres Gründers Peter Lötschert verbunden, der am 04. August 1820 in Höhr/Westerwald als Sohn einer kinderreichen Familie geboren wurde. Im Jahre 1852 fing dieser an, Gleichgesinnte in Hillscheid um sich zu scharen, um Unterstützung in der Pflege der Kranken vor Ort und in der näheren Umgebung zu erfahren. Im Jahre 1855 begab er sich zu den Alexianerbrüder nach Aachen, um sich dort fachlich fundierte Kenntnisse in der Krankenpflege anzueignen. Am 29. Juni 1856, dem Festtag der Hl. Apostel Petrus und Paulus, wurde Peter Lötschert in der Kapelle des Mutterhauses der "Armen Dienstmägde Jesu Christi" in Dernbach eingekleidet - zusammen mit 5 weiteren Männern - womit die Kongregation der Barmherzigen Brüder von Montabaur ihren Anfang nahm.

Die Gründung der Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Karl Borromäus (Borromäerinnen) im Jahre 1652 in Nancy im damaligen Herzogtum Lothringen, war eine Antwort auf die große Not der Zeit, die der Dreißigjährige Krieg über Westeuropa gebracht hatte. Sie erfolgte nicht – wie irrtümlich angenommen wird - durch den hl. Karl Borromäus selbst, sondern erst nahezu 70 Jahre nach seinem Tod (+ 1584). Ein junger Rechtsanwalt, Joseph Chauvenel, hatte sein Leben ganz in den Dienst der Armen, Kranken und Verlassenen gestellt. Er richtete eine Armenapotheke ein, pflegte - wie auch der hl. Karl in Mailand - Pestkranke und infizierte sich dabei tödlich. Sein Vater Emmanuel Chauvenel erfüllt den letzten Wunsch seines Sohnes und gründet eine Charité, ein "Haus der Barmherzigkeit". Diese stellte er unter den Schutz der Heiligen Familie Jesus, Maria und Josef. Er beauftragte unverheiratete Frauen und Witwen mit der Pflege. Sie erhielten später ein größeres Haus, über dessen Eingang eine Statue des hl. Karl Borromäus angebracht war. So wurden die Frauen von der Bevölkerung "Die Schwestern von St. Charles" genannt, in Deutschland später Borromäerinnen. Die Föderation der Barmherzigen Schwestern vom hl. Karl Borromäus, die aus Nancy hervorgegangen sind, wurde am 11.10.1970 gegründet mit dem Zweck, die Treue zum Charisma des Ursprungs zu erhalten.

Die Barmherzigen Schwestern von der Heiligen Elisabeth wurden die auf Anregung des Erzbischofs von Köln, Kardinal Johannes von Geisel, 1843 durch Mutter Klara Kopp zu Essen gegründet wurde. Die Ordensgemeinschaft ist eng mit der Stadt Essen und dem Ruhrgebiet verbunden. Als sozial tätige Schwestern kümmern sie sich seit der Gründung um die Not der Menschen in dem aufstrebenden Industriegebiet. In Essen gründeten die Schwestern das Elisabeth-Krankenhaus als erste Klinik der Stadt, pflegten die Menschen in ihren Wohnungen und nahmen sich der Waisenkinder an, später auch der alten und pflegebedürftigen Menschen.

Die Gemeinschaft der „Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Kreuz“ wurde 1856 durch den Schweizer Kapuziner Pater Theodosius Florentini (1808 – 1865) gegründet und steht in der Tradition des heiligen Franz von Assisi. Die ersten Schwestern, unter ihnen auch die 1995 selig gesprochene Mutter Maria Theresia Scherer (1825 – 1888), wirkten in Schulen, Heimen und Krankenhäusern und kümmerten sich um Menschen, die durch die Industrialisierung ganz an den Rand der Gesellschaft gedrängt worden waren.

Vinzenz von Paul wird 1581 in der Nähe von Pouy in Südwestfrankreich geboren. Er schlägt zunächst eine klerikale Laufbahn ein, um vor allem seine Existenz zu sichern. Durch seine seelsorgerische Tätigkeit trifft er auf die seelische und materielle Not vieler Menschen. Das fordert ihn zum Helfen heraus. "Liebe handelt"! Davon ist Vinzenz von Paul durchdrungen in seinem geistigen und sozialen Wirken, und diese Liebe wurzelt in einer tiefen, vertrauenden Gottesliebe. Mit Louise von Marillac, seiner wichtigsten Mitarbeiterin, gründet er 1633 die "Filles de la Charité", die Genossenschaft der Töchter der christlichen Liebe. Diese widmen sich den Kranken und Notleidenden in den Hospitälern, sie sorgen sich um Bedürftige in deren Häusern, sie nehmen Findelkinder auf und sie kümmern sich um Gefangene und psychisch Kranke. Die Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom Heilgen Vinzenz von Paul gründeten im Jahr 1832 ihre erste deutsche Niederlassung in München. Von Straßburg aus, wo sie nach der Französischen Revolution sesshaft geworden waren, erfolgten in den folgenden Jahren mehrere Gründungen auf deutschem Boden. „Erbarmen ist das innerste Geheimnis Gottes“, sagte Vinzenz von Paul. Aus diesem Geheimnis heraus gestalten die Schwestern ihr Ordensleben. Heute gibt es acht Generalate und ein Provinzialat der Vinzentinerinnen in Deutschland.

Am 1. November 1808 gründete Clemens August Droste zu Vischering, Kapitularvikar des Bistums Münster, die Genossenschaft der Barmherzigen Schwestern mit der Aufgabe, Kranke in ihren Wohnungen zu pflegen. Vorbild war dabei die Gründung des hl. Vinzenz von Paul in Frankreich. Nachdem alle kirchlich / sozialen Einrichtungen in Münster durch Napoleon aufgelöst waren, gewinnt Clemens August Droste zu Vischering fünf Frauen, die sich der Kranken annehmen. Oberin der kleinen Gruppe ist Maria Alberti, eine Konvertitin aus Hamburg. Clemens August gibt den Schwestern eine geistliche Regel. Das Clemenshospital, in den Jahren 1731 bis 1754 von Clemens August von Bayern, Kurfürst von Köln und Bischof von Münster, erbaut, war ursprünglich ein Kloster der Barmherzigen Brüder vom heiligen Johannes von Gott. Während der Säkularisation, im Jahre 1818, wurden die Brüder abgezogen. Die Pflege der Kranken wurde von schlecht bezahlten Hilfskräften übernommen. Das Hospital geriet schnell in einen trostlosen Zustand. Um den weiteren Verfall aufzuhalten, setzte sich der Verleger Hüffer, später Bürgermeister von Münster, der Mitglied der städtischen Armenkommission war, dafür ein, die Pflege den Barmherzigen Schwestern zu übertragen. Das Clemenshospital war für die Gemeinschaft bis 1862 zugleich auch das Mutterhaus. Seit dieser Zeit werden die Barmherzigen Schwestern Clemensschwestern genannt.

Als Antwort auf den Aufruf zur Erneuerung des Zweiten Vatikanischen Konzils gründete Catherine McAuley im Jahr 1973 die Barmherzigen Schwestern, deren Mutterhaus sich in Alma, Michigan befindet. Die Gemeinschaft widmet sich der geistigen und körperlichen Werke der Barmherzigkeit und unterhält in Deutschland eine Niederlassung im Kloster Breuberg.

Wenngleich die angeführten Gemeinschaften sich ausdrücklich der Barmherzigkeit verschrieben haben, so ist darüber hinaus das Erbarmen Gottes ganz grundsätzliches Leitmotiv des Ordenslebens. Gottesliebe und Nächstenliebe gehören für Ordenschristen untrennbar zusammen. Und so begehen die Ordensleute in Deutschland auch das Heilige Jahr 2016 als ein Jahr „Für Gott - Für die Menschen.“