Ordensgemeinschaften in Deutschland

Ächtung der Atomwaffen als Beginn nuklearer Abrüstung

orden.de dokumentiert die Erklärung des Vorstands der Deutschen Kommission "Justitia et Pax" zu einer umfassenden Ächtung von Atomwaffen.

Der Vorstand der Deutschen Kommission "Justitia et Pax" spricht sich für eine umfassende Ächtung von Atomwaffen aus. Die Deutsche Kommission "Justitia et Pax" ist eine Art "Runder Tisch" der katholischen Einrichtungen und Organisationen, die im Bereich der internationalen Verantwortung der Kirche in Deutschland tätig sind. DOK-Generalsekretärin Sr. Agnesita Dobler OSF ist Mitglied der Kommission. Orden.de dokumentiert die Erklärung. 

Erklärung

1. Mit wachsender Besorgnis nimmt die Deutsche Kommission Justitia et Pax  eine stetige Verschlechterung des Klimas internationaler Beziehungen wahr. Die Abkehr von bewährten diplomatischen Gepflogenheiten wird zusätzlich von einem Abbau institutionalisierter Kontrollmechanismen für die atomare Rüstung und Abrüstung begleitet. Diese und andere Entwicklungen haben die Kommission veranlasst, ihre im Jahr 2008 veröffentlichte Bewertung der Strategie atomarer Abschreckung zu überprüfen. Im Ergebnis schließt sie sich der vom Heiligen Stuhl und Papst Franziskus vertretenen Auffassung an, der zu Folge dieses Konzept der Friedenssicherung ethisch nicht länger verantwortet werden kann und die Atomwaffen völkerrechtlich geächtet werden müssen.


2. Die kirchliche Friedenslehre versteht es als höchstes Ziel internationaler Friedenspolitik, eine Weltordnung zu schaffen, in der Krieg als Mittel der Konfliktaustragung durch gewaltfreie Wege der Konfliktregelung ersetzt wird. So lange dies nicht der Fall ist, räumt die kirchliche Lehre den Staaten ein begrenztes Recht zur militärischen Verteidigung ein. Der Einsatz von Massenvernichtungswaffen ist jedoch uneingeschränkt verwerflich. Das gilt besonders auch für den Einsatz von Atomwaffen, sofern sie den Massenvernichtungswaffen zuzurechnen sind. Die kirchliche Lehre hat deswegen die Strategie der atomaren Abschreckung nur insoweit als moralisch vertretbar erklärt, als sie strikt der Kriegsverhütung dient, und wenn die Regierungen erkennbar darauf hinarbeiten, sie zu überwinden. Der Hauptgrund für diese Bedingung liegt in dem moralischen Dilemma, zum Zweck der Abschreckung glaubwürdig mit dem Einsatz von Atomwaffen drohen zu müssen, der sich moralisch nicht rechtfertigen lässt. 


3. Die Deutsche Kommission Justitia et Pax hat die neueren Entwicklungen in den Bereichen der internationalen Politik und des Militärwesens im Licht der maßgeblichen Kriterien der kirchlichen Friedensethik und des Völkerrechts betrachtet und bei der ethischen Beurteilung vor allem das Kriterium der Verhältnismäßigkeit und das sog. Diskriminierungsgebot (Unterscheidung von Kombattanten und Nichtkombattanten) angewandt. Sie gelangt dabei zu dem Schluss, dass die bisherige moralische Duldung der Strategie der nuklearen Abschreckung als Konzept der Kriegsverhütung aufgegeben werden muss. Die mächtigsten Atomwaffenstaaten lassen keinen ernsthaften Willen erkennen, von ihr abzurücken, sondern setzen programmatisch darauf, einen Atomkrieg führen, begrenzen und gewinnen zu können. Die Kommission hält diese Vorstellung in gefährlicher Weise für illusionär. Zudem senkt sie die Hemmschwelle für den Einsatz von Atomwaffen. Die Atommächte ignorieren außerdem die vielfältigen Risiken, die aus der wachsenden Komplexität und zunehmenden Unbeherrschbarkeit der internationalen Politik erwachsen, durch Atomwaffen aber kaum verringert werden können, sondern durch sie eher noch steigen. Sie sind erneut bereit, für die Modernisierung der Atomwaffen und für neue Waffensysteme Unsummen zu investieren, die anderweitig dringend nötig wären, um die gewaltigen Herausforderungen bewältigen zu können, mit denen die Weltgesellschaft gegenwärtig und zukünftig konfrontiert wird. 


4. Die Kommission ist überzeugt davon, dass die Krise der internationalen Politik nicht in erster Linie verstärkte Rüstungsbemühungen verlangt, sondern intensive Anstrengungen, das herrschende Misstrauen in den internationalen Beziehungen durch Dialog und Zusammenarbeit abzubauen. Vertrauen ist die Grundlage von Friedenspolitik und der Schlüssel zur nuklearen Abrüstung und Rüstungskontrolle. Das Ziel einer atomwaffenfreien Welt ist ohne oder gar gegen die Atomwaffenstaaten nicht erreichbar. Gerade deswegen muss der erste Schritt auf diesem Weg darin bestehen, die Atomwaffen zu ächten, um dann ebenso zielstrebig wie geduldig Rüstungskontroll- und Abrüstungsmaßnahmen zu verhandeln, um die Nuklearwaffen nicht nur zu bannen, sondern sie wirklich aus der Welt zu verbannen. Die Bündnissolidarität innerhalb der NATO muss den Willen einschließen, auf eine atomare Nulllösung hinzuarbeiten, ohne die eingegangenen Beistandspflichten zu vernachlässigen. Die USA, Russland und China sollten ihre Stärke unter Beweis stellen, indem sie in diesem Prozess eine Vorreiterrolle übernehmen. Sie müssen dafür die Vereinten Nationen oder regionale Institutionen für Sicherheit und Zusammenarbeit wie die OSZE und die OAU nutzen, anstatt sie zu schwächen, zu blockieren oder sie zu ignorieren. Ihre wahre Größe als führende Großmächte in der multipolaren Welt liegt heute in der Fähigkeit, über ihr Eigeninteresse hinaus das Wohl der Menschheit zum Leitfaden ihrer Politik zu machen.