Ordensgemeinschaften in Deutschland

Kolumne: Von der Gnade, arbeiten zu können

Vor kurzem habe ich einen Vortrag gehört über die Arbeit in der franziskanischen Spiritualität. Es ist eine Gnade, arbeiten zu können, sagt Franziskus und wer diese Gnade erhalten hat, soll sie auch nutzen und arbeiten mit Treue und Hingabe, jedoch ohne den Geist des Gebetes und der Hingabe auszulöschen.

Franziskus hat auf alles, was ihm begegnet einen kontemplativen Blick. In allem begegnet ihm Gott und alles wird ihm zur Antwort auf die Liebe Gottes. Arbeit ist für ihn Mitwirken an der Gestaltung der Welt, an der andauernden Schöpfung Gottes. Es ist also ein zutiefst kreatives Tun, egal, welche konkrete Gestalt unsere Arbeit hat. Das gibt unserer Arbeit und damit uns als arbeitender Person eine tiefe Würde. Außerdem ist Arbeit eine Möglichkeit, die eigenen Gaben zu entfalten und einzusetzen und damit uns als Person weiterzuentwickeln. Ja, es ist eine Gnade, so arbeiten zu können. Aber wenn das Leben anders ist?

Ich denke an die junge Mitschwestern, die eine schwere Krankheit aus der geliebten Aufgabe gerissen hat. Ich denke an die Frau, die in einer ungeliebten Arbeit ausharren muss, weil sie auf den Verdienst angewiesen ist. Ich denke an den jungen Mann, der das Studium abgebrochen hat und jetzt zuhause sitzt und nicht weiterweiß. Ich denke an den alten Mann, der sich wertlos fühlt, weil er nicht mehr arbeiten kann. Ich denke an die vielen Menschen dieser Welt, die unter sklavenähnlichen Bedingungen arbeiten müssen um wenigstens das blanke Überleben sicher zu können.

Ja, es ist eine Gnade arbeiten zu können und sinnerfüllt arbeiten zu können, und es ist gar nichts selbstverständlich. Schade, dass wir diese Gnade im Alltag immer wieder aus den Augen verlieren, wenn wir uns verlieren im Vielerlei, in der Arbeitslast und vielleicht auch in unserer Unzufriedenheit. Gut, dass es die Urlaubszeit gibt. Auch die Pause und die Erholung hat Gott uns geschenkt, vielleicht auch um einen neuen Blick zu bekommen und nach dem Urlaub anders wieder zu beginnen, im Wissen um die geschenkte Gnade.

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Über die Autorin

Sr. M. Karin Berger OSF ist Generaloberin der Franziskanerinnen von Sießen.

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