Ordensgemeinschaften in Deutschland

Kolumne: Mein ganzes Glück bist DU allein

Der dänische Philosoph Søren Kierkegaard hat einmal über das Glück gesagt: „Die Tür zum Glück ginge nach außen auf“. Was meinte er damit? Er meinte, dass wer die Tür zum Glück aufzudrücken versucht - wer sich krampfhaft darum bemüht, glücklich zu werden - dem verschließt sich die Tür zum Glück. Das ist das Paradox des Glücks. Es kann nicht angestrebt werden. Es ist ein Gefühl oder ein Zustand, der sich einstellt, wenn die Rahmenbedingungen passen. Glück ist ein Nebenprodukt. Kein Ergebnis. Ein Zeichen für gelingendes Leben. Aber was lässt Leben gelingen? Natürlich gibt es verschiedene Umstände, die helfen, dass die Lebenszufriedenheit steigt. Dazu gehören vor allem die Fähigkeit, mit anderen Menschen in stabilen Beziehungen zu leben und sich selbst und andere anzunehmen. Daneben hilft es sehr, wenn die eigene Lebensgeschichte positiv bewertet wird und wenn das Leben und die Aufgaben denen man sich stellt in einem größeren Sinnzusammenhang gesehen werden können und zu bewältigen sind.

Wenn wir von Glück sprechen, dann sprechen wir aber mindestens von noch zwei Bedeutungen. Nämlich Glück meint auch etwas, das dem Menschen zufällt, dass er oder sie so nicht erwarten konnte und positiv bewertet wird. Und Glück kann ein Gefühl bedeuten oder eine Empfindung, die immer an die Erfahrung des/der Einzelnen gebunden ist.

Der Psalm 16 drückt für mich dies in besonders treffender Weise aus:

1 Behüte mich, Gott, denn ich vertraue dir.

2 Ich sage zum Herrn: «Du bist mein Herr;

mein ganzes Glück bist du allein.»

4 Viele Schmerzen leidet, wer fremden Göttern folgt.

Ich will ihnen nicht opfern,

ich nehme ihre Namen nicht auf meine Lippen.

5 Du, Herr, gibst mir das Erbe und reichst mir den Becher;

du hältst mein Los in deinen Händen.

6 Auf schönem Land fiel mir mein Anteil zu.

Ja, mein Erbe gefällt mir gut.

8 Ich habe den Herrn beständig vor Augen.

Er steht mir zur Rechten, ich wanke nicht.

9 Darum freut sich mein Herz und frohlockt meine Seele,

auch mein Leib wird wohnen in Sicherheit.

11 Du zeigst mir den Pfad zum Leben.

Vor deinem Angesicht herrscht Freude in Fülle,

zu deiner Rechten Wonne für alle Zeit.

Der Psalmbeter fühlt sich behütet und getragen. Er spricht von einem Leben in Fülle. Das Streben nach Gott verheißt Reichtum, nicht nur im materiellen Sinn. Das Glück stellt sich ein, weil es nicht direkt angestrebt wird. Das Ziel allen Strebens ist Gott selbst. Gott ist es der zuweist, es ist schönes Land das zufällt und das gefällt.

Als ich mich vor fast achtzehn Jahren entschieden habe, zu den Franziskanerinnen nach Kaufbeuren zu gehen, habe ich mir noch keine Gedanken über Faktoren gemacht, die ein glückliches Leben bedingen können. Ich bin einer Sehnsucht gefolgt. Ich war und bin der Überzeugung, im Kloster etwas zu finden, was ein gutes Leben verheißt. Volles Leben in der Nachfolge Jesu. Es wäre zu viel, wenn ich sagen würde, dass ich in einer Art Glückseligkeit lebe, aber das Leben im Kloster bietet viele Umstände, die ein glückliches Leben bedingen können. Stabile Gemeinschaft, erfüllende Tätigkeiten, immer mal wieder das gute Gefühl, wenn zusammen etwas geschafft wurde. Aber auch die Erfahrung von Gebrauchtwerden, von persönlichem Wachstum und manchmal die Notwendigkeit an die eigenen Grenzen zu gehen und sie hoffentlich mit Gottes Hilfe zu überwinden. Dies schließt natürlich nicht aus, dass es auch das Scheitern gibt. Die Einsicht in die Notwendigkeit von Vergebung und Versöhnung muss immer da sein und auch die Bereitschaft, immer wieder von vorne anfangen zu wollen. So ist für mich das Leben in Gemeinschaft ein Streben nach Gott in der Hoffnung, dass sich das Glück zwischendurch auch einstellt.

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Über die Autorin

Sr. Johanna Maria Höldrich OSF ist Oberin der Franziskanerinnen des Crescentiaklosters

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