Ordensgemeinschaften in Deutschland

Kolumne: Hören auf den Heiligen Geist!

Angela Merici wird 550 Jahre alt, irgendwann in diesem oder im nächsten Jahr – es ist kein Datum überliefert, nur die ungefähre Jahreszahl 1474 oder 1475. Andererseits ist es bei dem Alter auch ziemlich gleich, oder? Wir feiern halt etwas länger, aber feiern wollen wir diese bemerkenswerte Frau, die unsere Gemeinschaft gegründet hat.

Glücklicherweise sind uns eine ganze Reihe von Texten überliefert, darunter auch die ursprüngliche Regel der „Compagnia di Sant’Orsola“. Diese Regel hat sie zusammen mit den ersten Frauen ihrer Gemeinschaft verfasst. Es sind viele bemerkenswerte Sätze darin. Doch in der Einstimmung auf Pfingsten berührt mich ein Satz besonders: „Vor allem sollen sie den Ratschlägen und Anregungen gehorchen, die der Heilige Geist fortwährend ins Herz gibt.“[1]

Dreierlei finde ich daran erstaunlich. Erstens, dass dieser Satz ausgerechnet im Kapitel über den Gehorsam steht. Ordensgehorsam haben wir historisch oft ganz anders aufgefasst, vonseiten der Leitenden wie auch der Geleiteten. Und auch im Alltag hat „gehorchen“ immer noch einen negativen Beigeschmack, obwohl das Hören deutlich im Wort steckt.

Zweitens: In diesem Absatz wird zunächst aufgezählt, wem Angelas Töchter zu gehorchen haben, nämlich den Geboten Gottes, den Geboten der Kirche, dem zuständigen Bischof und Pfarrer und dem eigenen geistlichen Vater, den Leitern und verantwortlichen Müttern der Gemeinschaft, außerdem den Vätern und Müttern und anderen Vorgesetzten des Hauses, ferner den Gesetzen und Verordnungen der Obrigkeit und den Regierenden des Staates. Doch dann folgt dieser Satz: „Vor allem sollen sie den Ratschlägen und Anregungen gehorchen, die der Heilige Geist fortwährend ins Herz gibt.“ Wohlbemerkt: „Vor allem“!

Und drittens: Es wird gesagt, dass der Heilige Geist seine Ratschläge und Anregungen ins Herz gibt –

 nicht durch irgendein geistliches Buch, ein Dekret oder den Mund eines Bischofs, sondern dir und mir und jedem Menschen, ganz individuell, direkt ins Herz! Welch eine enorme Wertschätzung, aber auch: Welch große Verantwortung, denn: Was mache ich aus dem, was mir der Heilige Geist fortwährend ins Herz gibt?

[1] Angela Merici, Regel - Ricordi – Legati, Hrsg. Föderation deutschsprachiger Ursulinen, Werl, 1992, S. 22

 

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Über die Autorin

Sr. Brigitte Werr OSU ist Assistentin der Föderationsleitung der deutschsprachigen Ursulinen sowie delegierte Oberin des Ursulinenkonvents St. Joseph Geisenheim.

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